Geschichtliche Ausführungen in der Schulchronik von Skerbersdorf


Der folgende Text ist ein Auszug aus der Schulchronik von Skerbersdorf [Schulchronik 1887]:

Skerbersdorf gehört zu der freien Standesherrschaft Muskau im Kreise Rothenburg O/L. Die Gemarkung hiesigen Ortes grenzt im Osten an den Kreis Sagan, und zwar mit den Dominialfeldern oder dem sogen. Niedervorwerk von Pechern. Der Rustikalbesitz hiesiger Gemeinde liegt mit wenigen Ausnahmen auf der Hügelkette des linken Neißeufers und zwar nach Neudorf und nach Sagar-Lugk zu. Das Schulgrundstück nebst einigen kleinen bäuerlichen Besitzteilen liegt im Neißethale und grenzt an die Felder des standesherrlichen Pachtgutes Skerbersdorf.

Nach Engelhardt sollen die Ureinwohner der Herrschaft Muskau Deutsche gewesen sein, die jedoch von der slawischen Nation vertrieben wurden und ihren Wohnsitz für immer verließen. Die Gründung hiesigen Ortes ist aber sehr wahrscheinlich erst später in der Wendenzeit erfolgt und zwar nach Angabe der älteren jetzigen Einwohner von Seiten der jeweiligen Besitzer Muskau’s, indem neben dem hiesigen noch bestehenden Dominium Wohnungen für Arbeiterfamilien gebaut wurden. Diejenigen Familien, die sich durch besonderen Fleiß und bewährte Treue hervorthaten, wurden als rechtmäßige Besitzer ihrer Wohnungen ernannt und erhielten dazu Grundbesitz. Durch Dismenetrationen entstanden immer mehr Einzelbesitzer, so dass endlich die sogenannten "Ausgebauten", das sind die nach Neudorf zu gelegenen Wirtschaften, das Dorf bis zu seinem jetzigen Umfange vergrößerten.

Im Jahre 931 errichtete Kaiser Heinrich I. die Markgrafschaft Niederlausitz, Oberlausitz und Brandenburg, umgab mehrere Flecken der Wenden mit Mauern, Wallgräben, und ließ sie mit Turmthoren versehen. Die Burgen wurden besonders an solchen Orten angelegt, welche die Natur schon befestigt hatte, auf Anhöhen, an Flüssen, zwischen Sümpfen; waren die Befestigungen auch nur von Holz und mit Wall und Graben oder mit einem Pfahlwerk umgeben, so erfüllten sie doch ihren Zweck bei der damaligen Art Krieg zu führen, wo man vom Pulver und Schießgewehr noch nichts wusste. Die unterjochten Wenden blieben als Leibeigene ihrer Bezwinger, erhielten entweder das von ihnen erbaute Land gegen Entrichtung einer gewissen Summe Geldes, oder einiger Maße Getreide, einer Anzahl Hühner, Eier u. dergl., oder sie waren verpflichtet, ihrem Herrn auf der Burg sein Land mit zu bebauen und ihm nach seinem Befehle zu dienen, wodurch die Frohndienste (Robota) entstanden, welche jetzt in neurer Zeit abgelöst und aufgehoben worden sind. Der Ackerbauer auf dem Lande bildete den dritten, also niedrigsten Stand und wurde der arme Mann genannt.  Von dem so verächtlich gemachten Ackerbauer sagte aber einer der Hohenzollernschen Fürsten, Kurfürst Joachim I. von Brandenburg um das Jahr beim Vergleich der Verhältnisse der Stände zueinander so schön und treffend: "Der Adel ist mein Haupt, der Bürger mein Herz, und der Bauer der starke Fuß, der Haupt und Herz trägt." Die auf diese Art entstandene Lehensverfassung, der landesherrlichen und der Vasallen, Macht führte zu jenen blutigen, unheilbringenden Kämpfen, welche Deutschland nach der Zeit zerrütteten und auch einen sehr nachhaltigen Einfluß auf das Volk ausübten (Joh. Mörbe).

Zur Zeit der Frohndienste hatten sich die ledigen arbeitsfähigen Leute aus den zur Herrschaft Muskau gehörigen Dörfern (wohl alljährlich) auf dem Marktplatz zu Muskau zu einem bestimmten Termin einzufinden, wurden dort gewissermaßen einer Besichtigung unterworfen, nach den einzelnen Domänen hin verteilt und zur Arbeit angewiesen. Die Bauten, wie auch die jetzigen Gebäude noch zeigen, wurden aus Holz ausgeführt, und zur Bedachung bediente man sich des Strohes. Das Bauholz wurde von der Standesherrschaft unentgeltlich verabfolgt, so dass einzelne Wirtschaften bis in die Hälfte dieses Jahrhunderts gewisse diesbezgl. Rechte besaßen, die aber in den fünfziger Jahren abgelöst worden sind.

Neben dem abscheulichen Bilde, welches alte Schriftsteller von den alten heidnischen Sorbenwenden geben, ist es billig, dass auch manches Lobenswerte von ihnen angeführt wird. Die alten Sorben hielten ihre Götter und Priester hoch, sie erwiesen auch ihren Familienhäuptern den schuldigen Gehorsam, wie man das bei unsern Wenden in der Lausitz noch findet. Die Ehegenossen waren gegen einander treu und liebreich, der Mann schützte Weib und Kind gegen den Feind, und die Gastfreundschaft zeichnete sie besonders aus.Gegen Notleidende waren sie mitleidig, hilfreich und wohlthätig, so dass Helmhold von ihnen schreibt: "Es konnte keine Nation an Sitten ehrbarer und an Gastfreundschaft wohlthätiger gefunden werden." Sie waren dabei fleißig und thätig, und das zeichnet heute noch die Wenden aus, so dass man unter ihnen fast keine Bettler findet, wenigstens solche nicht, die aus Bequemlichkeit oder Arbeitsscheu das Betteln sozusagen zu einem Gewerbe machen." (Joh. Mörbe)
"Unsere jetzigen Wenden treiben Ackerbau und Viehzucht, auch Handel, jedoch nur mit Vieh und Ackerfrüchten; auch tüchtige Handwerker sind unter ihnen zu finden. Der Wende ist tapfer und als guter Soldat gepriesen. So wurden die tapferen sächsischen roten Dragoner, das Regiment des damaligen Prinzen Johann (nachmaligem Königs) das meist aus Wenden bestand, wegen ihres heldenmütigen Vorgehens und tapferen Dreinhauens in die feindlichen Reihen unter Napoleon I. "die Krauthacker" genannt. "Geselligkeit, Musik und Tanz lieben die Wenden ganz besonders, sind dabei überaus laut, selbst bei der freundschaftlichsten Unterhaltung, zugleich aber ungeheuer rechthaberisch. Gott und Gottes Wort, die Kirche sind ihnen heilig, und obgleich sie oft stundenweit von ihrem Gotteshause entfernt wohnen, besuchen sie es doch häufig. Obwohl der Wende seine Kinder zärtlich liebt, verlangt er von ihnen unbedingten Gehorsam, hält sie zugleich frühzeitig zu harter Arbeit an und verweichlicht sie durchaus nicht.
Nicht ohne Misstrauen tritt der Wende dem Deutschen entgegen; wer aber seine Muttersprache redet, gegen den ist der Wende treu, offen und rückhaltlos; doch auch für andere Sprachen ist er gelehrig, daher die meisten von ihnen jetzt auch deutsch verstehen und sprechen. Zu den Eigenheiten der Wenden gehören: Missgunst, Eigennutz, Liebe zum Trunk und die daraus entspringenden Leidenschaften." Die eigentümlichen Sitten und Gebräuche verschwinden bei den Wenden der Oberlausitz allmählig; besonders, seit die Erbunterthänigkeit aufgehoben worden ist und bei denen, die in der Nähe der Stadt wohnen.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Sitten und Gebräuche bei den wendischen Hochzeiten. Die hochzeitlichen Einladungen der Wenden geschehen durch den Hochzeitsbitter oder zwei Bräutigamsdiener (Somarschi oder Tomarschi). Diese reiten oder gehen zu Fuß zu allen Freunden, die an der Hochzeit teilnehmen sollen. Dabei tragen sie dunkle Kleider mit bunten Bändern behangen und jeder hat im Knopfloch befestigt ein ebensolches langes Tuch an der Seite herunterhängen. Die Pferde sind an diesem Tage ebenfalls an Kopf und Schwanz mit bunten Bändern ausgeputzt.
Braut und Bräutigam sind schwarz gekleidet; denn Schwarz und Weiß sind die Ehfraufarben der Wenden. Zwei Zuchtjungfern begleiten das Brautpaar zur Kirche und sitzen auch in derselben neben ihm. Den Kopf der Braut ziert eine schwarze, pyramidenförmige, oben offene Samtmütze, die "Borta" genannt wird; am oberen Ende bildet ein runder mesingener Ring einen Absatz, der mit kleinen glitzernden Sternchen und Perlen geziert ist. An der Spitze der Borta prangt der aus Myrthe mit einem roten Bande geknüpfte Kranz (Wjerk). Außerdem ist das Haupt, dessen Haar glatt und fest unter der Borta steckt, mit einer Netzhaube (Cziepz), das ist eine gestrickte Kopfbedeckung, die nur von Frauenspersonen getragen wird, besonders von jungen Frauen, nachdem ihnen der Kranz abgenommen ist, geschmückt.