Wendisch Musta
Wendisch Musta auf der Karte zeigenWendisch Musta wurde wegen des wendischen Ursprungs des Namens 1936 umbenannt in "Birkfähre".
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An dieser Stelle, heute zu Polen gehörend, befand sich das Dorf Wendisch Musta. Es lag am rechten Ufer der Neiße,
etwa gegenüber dem Damm, der die Gemarkungen Skerbersdorf und Pechern trennt,
und war von Skerbersdorf aus durch eine Fähre zu erreichen. Kurt Krause, geboren in Wendisch Musta,
stakte lange Zeit als Fährmann den Kahn von Ufer zu Ufer.
Heute ist Wendisch Musta nicht mehr aufzufinden - nur die blühenden Obstbäume künden im Frühling davon,
daß hier einst ein Dorf stand.
Im obigen Bild wurde ein Ausschnitt aus einer alten Karte der Standesherrschaft Muskau
über ein aktuelles Luftbild gelegt. Am linken Bildrand sieht man die Skerbersdorfer Oberförsterei,
rechts davon die "Hofschen Felder", abgeschlossen durch das kleine Wäldchen, in dem die Ortsgrenze
zwischen Skerbersdorf und Pechern verläuft.
In [Pohl 1934] steht unter anderem folgendes über Wendisch Musta:
Die Dorfanlage ruht auf der oberen diluvialen Talterrasse des rechten Neißeufers und lehnt sich an das nördliche Höhenland, über welches die Chaussee von Muskau nach Priebus herabführt. Das Dorf liegt gerade in der Mitte zwischen den genannten Städten. ... Der wendische Name des Dorfes ist Mosty, abgeleitet vom altslawischen most=Brücke, wohl den Übergang ins Wendische bezeichnend; vielleicht ist dabei auch an die Knüppeldämme zu denken, die früher das Bruchland an der Neiße gangbar machten. Das Dorf heißt 1464 Mustau, 1548 Mosta, 1577 zum erstenmal Wendisch Musta, 1602 Windisch-Mosta, 1689 Wendisch-Moßkau, 1749 Wendischmusche. Das Dorf zählt 252 Einwohner, die Landwirtschaft treiben. Eine Brauerei liefert einfaches Bier. Die Bewohner gehören zu den Kirchen in Priebus.
Flucht aus der Heimat
Schon den ganzen Februar lang zogen immer wieder Flüchtlingstrecks auf der Straße in Richtung Muskau durch das Dorf.
Am 20. Februar mußten schließlich auch die Einwohner von Wendisch-Musta ihr Heimatdorf verlassen. Morgens um 4 Uhr wurde Alarm gegeben
und bereits um 8:30 Uhr erfolgte der Abmarsch in Richtung der Muskauer Brücke, wo der Treck um 11 Uhr ankam
und sich in Richtung Wolfshain weiterbewegte.
Nur das Notwendigste, vor allem Kleidung und Lebensmittelvorräte, hatte auf den mit Ochsen oder Pferden bespannten Wagen verstaut werden können.
Einiges von dem, was nicht mehr auf die Wagen paßte (zum Beispiel Eingewecktes oder auch Bettwäsche), war vergraben worden.
Das meiste davon wurde jedoch von den sowjetischen Soldaten, die mit Eisenstangen jede lockere Stelle im Boden absuchten, gefunden.
Noch am gleichen Tage brannten deutsche Soldaten befehlsgemäß Wendisch Musta nieder.
Karl Nicko, wohnhaft in den Skerbersdorfer Ausbauten, schreibt in seinen Erinnerungen:
In den frühen Morgenstunden des 21. 2. sahen wir mit meiner Frau aus den Fenstern in nördlicher Richtung den Himmel ganz rot, wie wir später erfuhren, brannte das Dorf Wendisch Musta.
Die Flucht führte viele Wendisch Mustaer über Muskau bis nach Waldheim, von wo aus viele im Juni 1945 nach Skerbersdorf zurückkehrten.
Sie hatten immer noch die Hoffnung, wieder in ihr abgebranntes Dorf zurückkehren zu können, durften aber nie mehr dorthin zurück.
So blieben sie in Skerbersdorf, manche kamen bei Verwandten unter, andere z.B. in der Oberförsterei.
Die Einwohner von Skerbersdorf hatten trotz aller Plünderungen den größten Teil ihrer Habe behalten, lediglich zwei Häuser waren beschädigt worden.
Die Flüchtlinge aus Wendisch Musta und den anderen Dörfern jenseits der Neiße standen jedoch auf einmal mit leeren Händen da.
Für sie hieß es erst einmal, wieder etwas zu essen zu besorgen.
Wilfried Krause erzählt:
Mein Vater Kurt Krause und seine Familie durften einen Teil des Ackers von Heinrich Lehnigk in den Ausbauten für sich bestellen.
Zum Stecken von Kartoffeln war es eigentlich im Juni schon zu spät, außerdem fehlte das Saatgut.
Also gingen die Eltern heimlich über die Neiße und holten Saatkartoffeln aus ihren eigenen Mieten,
die sie dann in Skerbersdorf steckten.
Im August 1945 watete meine Großmutter väterlicherseits durch die Neiße, um auf dem eigenen Feld in Wendisch Musta Ähren zu schneiden.
Auf der anderen Seite der Neiße trat sie auf eine Mine. Den Knall und die Schreie hörte man diesseits der Neiße,
einige Männer holten die Großmutter über die Neiße - das Bein war bis zum Knie weggerissen.
Ein Pferdefuhrwerk brachte sie nach Weißwasser, da hatte man aber nichts, um das Bein ordnungsgemäß zu amputieren.
Also fuhr der Pferdewagen weiter bis Spremberg, wo der Schwerverletzten endlich das Bein abgenommen wurde.
Meine Mutter Selma Krause lief jeden zweiten Tag von Skerbersdorf nach Spremberg, um ihrer Schwiegermutter Essen zu bringen.
Anmerkung: Von Skerbersdorf nach Spremberg sind es ca. 30 km, selbst, wenn man den kürzesten Weg nimmt.
In den Nachkriegsjahrgängen der Skerbersdorfer Schule findet man viele Schüler von jenseits der Neiße.
Eine Beobachtung, die ein damals noch junger Skerbersdorfer bei einem der heimlichen Besuche in Wendisch Musta im Juni 1945
gemacht hat, verdeutlicht das Ende von Wendisch Musta:
Er sah, wie ein voll mit Früchten behangener, abgesägter Kirschbaum auf einem LKW abtransportiert wurde.
Ein bewegendes Bild von dieser Zeit zeichnet Christa Blachnik,
die aus dem nur wenige Kilometer von Wendisch Musta entfernten Kochsdorf stammt,
in ihrem Buch "Kornblumen blühen am Wegesrand"
[Blachnik 1999].
Diesem Buche ist auch die folgende Kopie des Räumungsbefehls für die Bürger von Bad Salzbrunn
(Kreis Waldenburg, jetzt Walbrzych) entnommen.
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Wendisch-Musta/Birkfähre - ein Dorf, das es nicht mehr gibt
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Brigitte Lachmann, die in Wendisch-Musta geboren wurde und dort bis zur Flucht am 20. Februar 1945 ihre Kindheit verbrachte, hat ihre Erinnerungen an Wendisch Musta in einem Bericht niedergeschrieben, den Sie hier finden. |
Das alte Wendisch Musta
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Weit über die Grenzen von Wendisch Musta hinaus bekannt waren Gasthaus und Brauerei der Familie Graf. Gebraut wurden ein helles Bier und Malzbier.
Das Bier wurde mit einem kleinen dreirädrigen LKW in die umliegenden Dörfer ausgefahren, den in den dreißiger Jahren bis zu seiner
Einberufung Kurt Tschöpel, Vater von Christa, Ursula und Esther Tschöpel, gefahren hat.
Wie Karl Kuhla jun. berichtet, holten sie als Kinder von Skerbersdorf aus mit dem Eimer Malzbier aus Wendisch Musta - es soll sehr gut geschmeckt haben ...
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Schule und Schüler von Wendisch Musta
Dank der Bemühungen von Christa Rogenz (Tschöpel), Brigitte Lachmann, Manfred Weise und Walter Petro bekamen wir
mehrere Schulbilder von Wendisch Musta - zu einigen sogar fast alle Namen.
Klicken Sie hier, um zu der entsprechenden Seite zu kommen.
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Wendisch Musta-Treffen 2008 und 2009
Am 30.8.2008 und am 3.10.2009 trafen sich in der Gaststätte Hubatsch in Skerbersdorf ehemalige Einwohner von Wendisch Musta.
Dabei entstanden diese Photos.
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Himmelfahrtsausflug 2005 nach Wendisch Musta
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Das Vorwerk Sophiental von Wendisch Musta
Auf der Karte zeigenAuf halbem Wege zwischen Wendisch Musta und Kutschig lag auf einer Terrasse nordöstlich der Neiße, etwa gegenüber dem Skerbersdorfer Gottesberg, das zum Gut Wendisch Musta gehörende Vorwerk Sophiental. Heute findet man dort nur noch eine große Lichtung mit einer mächtigen Linde (Umfang ca. 6,80m).
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Wieder einmal in der alten Heimat
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